Fassaden als Kraftwerke

 

Die rasante Entwicklung der erneuerbaren Energien bringt immer innovativere Lösungen für die Gewinnung von Strom mit sich. Eines dieser spannenden Szenarien ist die Nutzung von Gebäudefassaden als kleine «Kraftwerke» – auch Unternehmen können dadurch beträchtliche Einsparpotenziale realisieren.

Unser traditionelles Denken verbindet mit Häusern Wohn- und Arbeitsraum aus Beton. Es geht um Funktionalität, nicht um Innovationen. Dass sowohl Eigenheime als auch Firmengebäude energetisch hochkomplexe Gebilde voller energetischer Möglichkeiten sind, realisieren wir erst nach und nach – und durch den Siegeszug der erneuerbaren Energien heute viel stärker als früher.

Die Idee, Fassaden zur Energieerzeugung zu nutzen, kann unseren Blick auf das Thema Energiewende grundlegend verändern, denn kaum etwas ist einem so nahe wie die eigenen vier Wände. Gebäude, ob gross oder klein, bieten nämlich eine enorme Oberfläche, die sich zur Energiegewinnung nutzen lässt. Dies kann auf verschiedene Arten geschehen, besonders aber durch Photovoltaik (PV) und Solarthermie.

Eine der am weitesten verbreiteten Technologien zur Umwandlung von Gebäudefassaden in Kraftwerke ist die Photovoltaik. Tatsächlich können durch die Integration von Solarzellen in die Fassade Gebäude nicht nur Energie erzeugen, sondern auch ihre ästhetische Anziehungskraft bewahren. Und letztlich durch den Verkauf des erzeugten Stroms und die Reduzierung der eigenen Energiekosten erhebliche Einsparungen erzielen.

Obwohl die Nutzung von Fassaden als Kraftwerke vielversprechend ist, gibt es immer noch einige Herausforderungen zu bewältigen: Die Integration dieser Technologien erfordert eine sorgfältige Planung und Investitionen. Zudem sind Genehmigungen und Regularien zu beachten, um sicherzustellen, dass die Ästhetik der Gebäude und die Sicherheit der Bewohner gewahrt bleiben.

Das Potenzial ist beträchtlich: Laut Bundesamt für Energie (BFE) könnten an Schweizer Hausfassaden jährlich 17 TWh Solarstrom gewonnen werden – das ist mehr als fünfmal so viel wie ein durchschnittliches Kernkraftwerk erzeugt.

Allerdings ist die Fassaden-Energie bei genauerer Betrachtung ein Sommer-Winter-Thema: In den warmen Monaten generiert die Photovoltaik auf dem Dach wesentlich mehr Strom als an einer Fassade, was auch am sehr steilen Einfallswinkel der Sonnenstrahlen liegt. Horizontale Module auf dem Dach können dann mehr Kapazität aufnehmen als eine vertikal ausgerichtete Lösung am Gebäude. Im Winter sieht das schon anders aus, weil die tiefstehende Sonne flacher auf die Erde abstrahlt und damit die Fassaden stärker trifft. Hier zeigt sich gleich ein weiterer Vorteil der senkrechten Anlagen: sie sind im Winter nicht mit Schnee belegt.

Bevor man eine Fassadenanlage umsetzt, geht es erst mal um die genaue Planung: Wie bei allen Solaranlagen sollte dabei das Ertragspotenzial ausgelotet und von Fachleuten berechnet werden. So gilt es auch zu beachten, dass PV-Module an der Fassade auf eine hinterlüftete Konstruktion aufgetragen werden müssen – sonst droht Überhitzung in den warmen Sommermonaten. In puncto Design müssen sich die Gebäudebetreiber heute keine grossen Gedanken mehr machen. Die Modultechnik ist in Sachen Farbgebung und Form auf der Höhe der Zeit. Es gilt also das Motto: Solarmodule tragen zum Energiebudget bei und können auch noch gut aussehen.

«Photovoltaik-Anlagen an der Fassade produzieren während des Tages relativ gleichmässig Strom. Eine Dachanlage hingegen hat ihre Spitzenzeiten in der Regel in den Mittagsstunden. Ohne Zwischenspeicher lässt sich daher Fassaden-Energie konstant direkt nutzen. Damit eine PV-Anlage rentabel ist, sollte man möglichst viel des selbst produzierten Stroms auch selbst verbrauchen. 

Für einen hohen Eigenverbrauch bietet sich die Kombination mit grossen Verbrauchern an, sprich mit Ladestationen für E-Autos oder einer Wärmepumpe samt thermischem Speicher. So benötigt das Aufladen von E-Autos viel Energie, ist aber meist auch recht flexi-
bel. Das bedeutet, dass man das Aufladen dann intensivieren kann, wenn viel Solarstrom zur Verfügung steht, und dann herunterfährt, wenn weniger vorhanden ist.»

Niklaus Reifler
Fachspezialist Photovoltaik-Lösungen

 

Kraftwerk am Haus: Die Vorteile von PV-Modulen an Fassaden

  • Wintertauglich: Schnee verdeckt an Fassaden nicht die Oberfläche wie bei Dach-Installationen
  • Die Fassadenmodule lassen sich besser reinigen als Dach-Module und sind insgesamt etwas weniger anfällig für Verschmutzung «von oben»
  • Geringeres Überhitzungsrisiko in den Sommermonaten im Vergleich zu Dach-Modulen
  • In Städten machen PV-Fassaden viel Sinn, da die Fassadenfläche etwa bei Firmengebäuden jene der Dachfläche weit übersteigt
  • Die PV-Module eignen sich bei Neubauten als Fassadenersatz und offerieren damit ein attraktives Einsparpotenzial

Das Powerhouse

Das Rechenzentrum Ostschweiz ist ein hochverfügbarer und energieeffizienter Kommunikationshub in Gais im Appenzellerland. Der hochsichere Datentresor mit topmoderner Infrastruktur ist zusätzlich ein riesiges Solar- und Wärmekraftwerk. Fassade und Dachflächen sind flächendeckend mit einer Photovoltaik-Anlage ausgestattet, die jährlich 230’000 kWh Strom für das Rechenzentrum erzeugt. Das entspricht dem jährlichen Energiebedarf von rund 50 Haushalten.

Die adiabatische Kühlung kommt ohne mechanische Kältegeräte aus und arbeitet so besonders klimaschonend. Sie basiert auf einer Kühlung mit Hilfe von Aussenluft. Die Abwärme aus dem Rechenzentrum wird im Nahwärmeverbund genutzt. Unter anderem werden in der benachbarten Berg-Käserei Gais mit der Abwärme jährlich rund zehn Millionen Liter Milch erhitzt.