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Interview: 'Klimaschutz und Energiewende sind alternativlos'

Geschrieben von SAK | Jul 24, 2024 10:00:00 PM

 

Der Klimawandel schreitet unaufhörlich voran und bringt immer extremere Wetter- und Lebens­bedingungen mit sich. Prof. Dr. Reto Knutti, Klimaforscher an der ETH Zürich, über globale ­Auswirkungen, die besondere Rolle der Schweiz und mögliche Wege in eine bessere Zukunft.

 

Herr Knutti, die Schweiz hat sich in Sachen Klimaschutz das Ziel «Netto-Null bis 2050» gesetzt. Mit fast 60 Prozent hat zudem die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer im Juni für ein neues Klimaschutzgesetz gestimmt. Warum ist das aus Ihrer Sicht so eminent wichtig?

Knutti: Wir sind heute schon vom Klimawandel betroffen und das wird sich weiter akzentuieren: Hitze, Trockenheit im Sommer, extreme Wetterereignisse – aber auch wirtschaftlich durch Klimaschäden im Ausland. Als Land mit viel Technologie, Geld, Bildung und Innovation haben wir nicht nur beste Voraussetzungen und eine hohe Verantwortung, dem Klimawandel entgegenzuwirken, wir stärken damit auch den Standort Schweiz und fördern langfristig die Energiesicherheit.


Angesichts globaler Krisen wie dem Krieg in der Ukraine wurden die Verbraucher: innen jüngst mit explodierenden Energiepreisen konfrontiert. Ist es jetzt wirklich alternativlos, auf Elektrofahrzeuge umzustellen und funktionierende Öl- und Gas-Heizungen zu ersetzen?

Die hohe Abhängigkeit von Energie aus dem Ausland heute ist gefährlich. Der schnelle Zubau von erneuerbarer Energie muss so oder so geschehen, unabhängig vom Klimaschutz. 

Der Umstieg auf batterieelektrische Fahrzeuge ist nicht aufzuhalten, die Hersteller bauen Verbrennungsmotoren bald nicht mehr und die EU verbietet sie ab 2035. Bei Solar und Wärmepumpen ist es ähnlich, der Boom ist riesig. Wir müssen Klima-, Energie- und Wirtschaftspolitik zusammen denken. Die Schweiz ist keine Insel für Nahrung, Produkte und Energie. Stromhandel stärkt die Zuverlässigkeit des Energiesystems. Geregelte Beziehungen zu unseren Nachbarn sind dafür allerdings zentral. Die Herausforderungen sind gross, aber technisch und wirtschaftlich machbar. Die grösste Herausforderung ist der gesellschaftlich politische Wille.


Die Kritiker: innen verweisen auf die hohen Kosten der Energiewende. Was entgegnen Sie ihnen?

Sie spielen mit der Angst. Viele Investitionen fallen sowieso an. 
Und wer beispielsweise ein Elektroauto kauft, spart langfristig sogar Geld. Und zudem: Die Milliarden an weltweiten Klimaschäden und was wir in einem «Weiter-wie-bisher-Szenario» für fossile Energie an dubiose Länder zahlen, wären weit grösser. Klimaschutz lohnt sich. Die USA und EU haben nicht umsonst milliardenschwere Infrastrukturpakete beschlossen. Sie tun das nicht, um die Welt zu retten, sondern weil es ihnen nützt. 


Wie motiviert man Menschen, umweltbewusster zu leben?

Wir müssen uns bewusst sein, was auf dem Spiel steht. Billigschnitzel und ein hohes Bruttosozialprodukt nützen uns wenig, wenn wir dabei den Planeten zerstören. Es gibt keinen zweiten. Wir müssen unseren Konsum schon etwas hinterfragen. In vielen Bereichen ist es auch nicht schwer, zu sparen. Bei der Energie zum Beispiel sind 20 Prozent oder mehr allein mit Effizienz möglich. Die Motivation dazu geht am einfachsten mit besseren Alternativen. 

 

Aber am Ende braucht es wie bei der Wasser- und Luftqualität oder dem Ozonloch auch einen politischen Rahmen. 

So ist es. Dieser Rahmen kann durchaus liberal und technologieoffen sein. Die Wirtschaft setzt sich übrigens für klare Regeln ein, das gibt Planungssicherheit bei Investitionen und sorgt dafür, dass im Wettbewerb für alle gleich lange Spiesse gelten. Wir haben nicht die Wahl zwischen Klimaschutz und dem Zustand von heute. Die Welt ändert sich rasant. Entweder wir gestalten sie zu unserem Nutzen mit oder die Realität wird uns überrollen.